Göttingen – Als Abschlussvorstellung der Figurentheatertage wird Die musikalische Hölle im Deutschen Theater aufgeführt. Auf der Bühne stehen zwei mehrere Meter hohe Wände, auf die wild durcheinander Noten gemalt sind. Dazwischen hängt ein roter Vorhang. Noch bevor das Stück beginnt bereitet ein unheilverkündendes Grollen aus den Lautsprechern das Publikum auf eine Höllenfahrt ganz eigener Art vor.
Georg Schnittelbach, erfolgreicher Geiger und Komponist, will vor einem wichtigen Konzert sein Instrument beim berühmten Instrumentenbauer Fürst überholen lassen. Der Werkstattbesuch verläuft jedoch ganz anders als geplant und Schnittelbach verliert sich im labyrinthischen Inneren von Fürsts Schloss.
Drei andere Musiker, allesamt Genies auf ihrem Feld, leisten Schnittelbach Gesellschaft. Schnell stellt sich heraus, dass die vier Männer nicht nur Gefangene des Schlosses sind, sondern auch Gefangene ihrer eigenen Ziele, Träume und Sünden. Für die Figuren wie für das Publikum bieten sich tiefgehende Einblicke in die menschliche Psyche. Das verwirrende Setting, das darauf ausgelegt ist, jeder Figur immer wieder klarzumachen, dass sie auf sich allein gestellt ist, verstärkt diese Eindrücke noch.
Der Einfluss Franz Kafkas deutet sich bereits früh im Stück an und wird schnell unübersehbar. Die Musiker sind einer Macht ausgeliefert, die selbst nie präsent wird: Den Instrumentenbauer Fürst bekommt er, so sehr sich Schnittelbach auch um eine Audienz bemüht, nicht zu Gesicht. Der »Fürst« dieser Hölle bleibt stets unnahbar – existiert er überhaupt? – und handelt nur durch seinen Sekretär Rott Eppstein (dargestellt von Marc Schnittger) und seine Angestellten (Roman Laloi/Stephan Tresp). Auch der verwinkelte, scheinbar ausweglose Aufbau des Schlosses unterstreicht die kafkaeske Prägung des Stücks. Neben Kafka hat auch der Maler Hieronymus Bosch Pate für das Stück gestanden. Dessen Triptychon Der Garten der Lüste hat Schnittger mit der Regisseurin Nele Tippelmann in eine Figurentheatertrilogie umgesetzt. Die musikalische Hölle ist vom rechten Flügel Boschs Werks inspiriert und setzt dessen ganz eigene, ausnehmend groteske Höllenvision angemessen um. In Boschs Hölle finden sich immer wieder Menschen, die mit Musik und Musikinstrumenten gefoltert werden, und so ist auch für die Musiker in dem Schloss ihre Musik mehr eine Last als ein Hörvergnügen. Auch Georg Friedrich Händel, dessen Musik die Grundlage für die eigens für das Stück erstellten Kompositionen Jan-Peter Pflugs bietet, ist ein deutlich erkennbarer Einfluss. Passend zu der wachsenden Verzweiflung Schnittelbachs wird die anfangs noch fröhliche Kammermusik im Verlauf des Stückes immer düsterer und erdrückender.
Als Schnittelbach schließlich, dem Wahnsinn nahe, auf der Suche nach dem Instrumentenbauer Hals über Kopf in die Tiefen des Schlosses rennt, bricht auch musikalisch die Hölle los. Wenn man zu Franz Kafka und Hieronymus Bosch noch ein wenig Samuel Beckett und Friedrich Dürrenmatt hinzufügt, hat man Die musikalische Hölle schon einigermaßen erfasst. Denkste! Es gehört zu den Stärken des Stücks, dass es sich immer wieder dem Zugriff des Zuschauers entzieht und gerade wenn man denkt, das Stück verstanden zu haben, offenbart es sich auf eine völlig neue Weise. Dabei arbeitet Schnittger stets mit einer Vielzahl an sprachlichen und visuellen Anspielungen, die dem Stück immer mehr Tiefe verleihen. Anfänglich mögen die Gespräche der Gefangenen wie Diskussionen um ihre unterschiedlichen Konzepte von Musik und Musikerdasein wirken. Dass zwei von Schnittelbachs Mitgefangenen ausgerechnet Döblin und Pollock heißen weist jedoch darauf hin, dass hier keineswegs nur Musik verhandelt wird. Und im Verlauf der Gespräche wird klar, dass eine Diskussion über Kunstentwürfe auch immer eine Diskussion über Lebensentwürfe ist.
Finale furioso
Die gewaltige Menge an Inhalt transportiert Schnittger mit lebensgroßen Klappmaulfiguren, durch die er es auf eine beeindruckende Art und Weise schafft, selbst die große Bühne des Deutschen Theaters komplett zu füllen. Das Puppenspiel ist, wie die Darstellung der Lakaien Fürsts, makellos. Und neben den menschlichen Charakteren tritt schließlich auch das Schloss selbst wie ein lebendes Wesen immer wieder in den Vordergrund. Zwei Stellwände, die mit dem Vorhang das gesamte Bühnenbild ausmachen, werden verschoben und gedreht und erschaffen so eine absurd große Menge an Räumen in dem Schloss. Auf dem Höhepunkt dieser Darstellung, rennt Schnittelbach wie von Sinnen durch die Räume des Schlosses; die Wände bewegen sich wie in einem Tanz und das Publikum ist wie der Protagonist auf der Bühne bald völlig orientierungslos.
Durch den surrealen, absurden Inhalt und die düstere Stimmung ziehen sich immer auch humorvolle Mo-mente, die das Stück insgesamt zu einem gelungenen und ausgewogenen Ganzen abrunden. Es handelt sich hier tatsächlich, wie der Untertitel ankündigt, um eine »Odyssee durch Zeit, Raum und Klang«, bei der viel Spielraum für Interpretation sowie hervorragende Unterhaltung geboten wird. Die musikalische Hölle ist das furiose Finale der Göttinger Figurentheatertage 2016 und hat die Position als krönenden Abschluss des Festivals absolut verdient.
Simon Sendler, Litlog / Göttinger eMagazin für Literatur – Kultur – Wissenschaft (22. Februar 2016) > http://www.litlog.de/hoellenbilder-mit-musik
Göttingen – Mit der Vorstellung von »Die musikalische Hölle« sind am Sonntag die 31. Göttinger Figurentheatertage zu Ende gegangen. Der Schauspieler, Puppenspieler und Figurenbildner Marc Schnittger nahm die Zuschauer im Deutschen Theater Göttingen mit auf eine Odyssee durch Zeit, Raum und Klang.
Mit Musik verbindet man in der Regel eher himmlische Gefilde. Aber in Schnittgers düsterem Theaterstück führt die Musik hinab in das Reich der Finsternis. Vorlage der Inszenierung ist das rätselhafte Gemälde-Triptychon »Der Garten der Lüste« von Hieronymus Bosch.
Folter mit Musikinstrumenten
Nach der Bearbeitung des Mittelteils geht es Schnittger jetzt um den rechten Flügel des Altaraufsatzes, der eine musikalische Hölle zeigt. Musikinstrumente dienen als Folterwerkzeuge, umMenschen für ihre Sünden zu bestrafen.
Zur Handlung: Georg Schnittelbach, aufstrebender Stern am Komponisten- und Geigerhimmel, steht vor einem wichtigen Konzert. Deshalb will er auch seine wertvolle Geige von Instrumentenbauer Fürst überholen lassen. Doch die Werkstatt ist der Vorhof zur Hölle. Schnittelbach findet sich in einem Schloss wieder, das sich als ein surrealer Ort der Verzweiflung entpuppt. Aus dem kafkaesk anmutenden Labyrinth gibt es keinen Ausweg. Vier Musiker und Komponisten sind mit sich selbst und ihrer Musik konfrontiert.
Anleihen von Kafka bis Sartres
Über Kafkas labyrinthisches Schloss hinaus ist das Theaterstück von Anleihen und Zitaten durchzogen. Die anfängliche Autopanne im Regen samt Quartier in einem unheimlichen Schloss erinnert an die Rocky Horror Picture Show. Und der Selbsthass und die Unzufriedenheit einzelner Figuren lässt – ganz nach dem Motto »Die Hölle, das sind die anderen« – an Sartres »Geschlossene Gesellschaft« denken. Die für ihre Sünden zur ewigen Verdammnis Verurteilten scheinen Dante Alighieris »Göttlicher Komödie« entsprungen. Und während in Umberto Ecos »Der Name der Rose« ein Buch zur Komödie und dem Lachen vernichtet werden soll, sind nun wertvolle Musikinstrumente dem Untergang geweiht.
Die Inszenierung (Regie: Nele Tippelmann) kombiniert Schauspiel und Figurentheater mit lebensgroßen Klappmaulfiguren. Wobei Schnittger, der mit insgesamt vier Inszenierungen auf dem Festival vertreten ist, eine Figurenführung und Stimmvielfalt auf hohem Niveau zeigt. Humorvoll gestartet weicht die Leichtigkeit des Theaterstücks allmählich einer albtraumhaften Stimmung. Die Musik (Jan-Peter Pflug) klingt zunehmend dissonanter. Das Licht ist bläulich-düster, die Atmosphäre arg beklemmend. Ein intensiver Schlusspunkt der Figurentheatertage.
Karola Hoffmann, Göttinger Tageblatt (22. Februar 2016)
Straubing – »Richtiges Auffassen einer Sache und Missverstehen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus.« Dieses Zitat aus Franz Kafkas »Der Prozess« weist den Weg zu einer der interessantesten Produktionen des diesjährigen Figurentheaterfestivals.
Zwar erwähnt Schnittger in seinem Programmheft Kafka nicht explizit, aber die Bezüge sind eindeutig-zweideutig: Die Handlung spielt wie in Kafkas gleichnamigen Roman in einem Schloss, das einem Labyrinth ähnelt, der Schlossherr, Herr Fürst, tritt nie auf, die Diener des Sekretärs gleichen den Kafka’schen Schergen aufs Haar …
Dieses Verstehen und Missverstehen zieht sich durch den gesamten Abend und ließ so manchen Zuschauer verwirrt zurück. Wobei wir beim zweiten Grundpfeiler der Inszenierung wären: Hieronymus Boschs Triptychon »Der Garten der Lüste«, um 1500 gemalt, ist so gerätselt und mystifiziert, dass sich Generationen von Kunsthistorikern interpretatorisch versuchten. Schnittger nimmt sich diesmal den rechten Flügel des Altars, »Die musikalische Hölle«, als Vorlage für seine Inszenierung vor, nachdem er 2011 den Mittelteil des Altars, »Der Garten der Lüste«, bearbeitete.
Dass es sich um eine musikalische Hölle handelt, wird aus den vielen Musikinstrumenten ersichtlich, die alle als Folterwerkzeuge eingesetzt werden, eine Hölle, in der die Hauptsünden der Menschen bestraft werde: Hochmut, Zorn, Habgier und Selbstmitleid. Schnittger verwickelt die drei zentralen Figuren um den Geiger Schnittelbach, alle vier musikalische Genies, in ein verwirrendes Katz-und-Maus-Spiel, in dem jeder seine eigenen Ziele verfolgt, die er aber nie erreicht, denn es gibt keinen Ausweg aus dem Schlosslabyrinth. Interpretationen des Geschehens auf der Bühne mag jeder für sich versuchen, denn die surreale Bilderwelt bietet unendlich viele Anregungen. Bevor wir uns in entsprechenden Hirnverrenkungen ergehen, macht es viel mehr Spaß, Schnittger mit seinen Klappmaulpuppen zuzuschauen: Was für eine raffinierte Figurenführung, welch gruselige Authentizität der Stimmen! Das ist Meisterschaft auf höchstem Niveau! Diese Puppen, von Schnittger selbst gefertigt, sind so ausdrucksstark und lebendig, dass es schon nicht mehr wichtig ist, welche der Puppen welche Sünde darstellt. Die Musik drückt die Höllenqualen in den Köpfen der vier Musiker aus und ist deshalb notwendig und selten harmonisch.
Schnittger entließ die Zuschauer mit dem unausgesprochenen Auftrag, vielleicht einen intensiveren Blick auf Hieronymus Boschs Triptychon »Der Garten der Lüste« zu werfen und sich mal wieder mit Kafka zu beschäftigen. Ein großartiger Theaterabend!
Wolf Stoecker, Straubinger Rundschau (18. März 2013)
Bottrop – Hieronymus Boschs spätmittelalterliches Gemälde-Triptychon »Der Garten der Lüste« ist an sich schon rätselhaft. Wenn sich ein Figurentheater – wie in diesem Fall der Kieler Marc Schnittger – mit seinen lebensgroßen Figuren direkt in die »Musikalische Hölle« (einer der Innenflügel des Bosch-Werkes) begibt, bildete das nicht nur einen spektakulären Abschluss der Figurentheatertage, sondern lieferte neben theatralischer auch pralle musikalische Qualität – auch wenn die, im Gegensatz zur Kieler Uraufführung im dortigen Opernhaus, mit Musik vom Band auskommen musste.
Schnittger präsentiert ein Typenspektrum von Musikern, die allesamt im verwunschenen Schloss des Instrumentenbauers Fürst – ein unsichtbarer Höllen-Fürst? – untergehen. Schnittgers Protagonist Georg Schnittelbach – Komponist und aufstrebender Geigenstar – gerät in dieses Labyrinth, dessen eigentlicher Herrscher der Sekretär ist. Die Handlung gleicht einer surrealen Wanderung zwischen realer und imaginierter Welt – aber auch von Hoffart, Spötterei, Völlerei, im Grunde also der alten Todsünden, die den unfreiwilligen Insassen dieser Hölle vor Augen geführt werden. Im Grunde eine Konfrontation mit der eigenen Unzulänglichkeit, die sich vielleicht auch im Gegensatz der Musik Händels und den zerrenden zeitgenössischen Rhythmen spiegelt. Viel Applaus für ein geheimnisvolles Stück, dessen Sog man sich kaum entziehen kann.
Dirk Aschendorf, Westdeutsche Allgemeine Zeitung (18. Oktober 2013)
Kiel – Auf eine »Odyssee durch Zeit, Raum und Klang« begleiteten die Zuschauer im Opernhaus die von Schauspieler und Puppenbauer Marc Schnittger gefertigte Hauptfigur Georg Schnittelbach […]. Das [Publikum] quittierte die Premiere und Uraufführung des sphärisch-abgründigen Höllentrips […] mit kräftigem Applaus.
[Die] Schnittger-Puppen hocken da, getaucht in klangliche Schatten des hervorragenden Trio Sonar […]. Schnell gewöhnt man sich an die Gesellschaft der von Schnittger meisterhaft gespielten Figuren […].
Gefasst in feine, bisweilen humorige und mit Zitaten angereicherte Dialoge haben Marc Schnittger und Regisseurin Nele Tippelmann eine schnelle Bildfolge geschaffen, die zupackt. Man fühlt mit den Charakteren, fiebert mit Georg Schnittelbach […].
Zurück bleibt ein gelungenes Unbehagen und man ist froh, den Heimweg in irdischer Freiluft antreten zu dürfen.
Kai-Peter Boysen, Kieler Nachrichten (3. September 2012)
Kiel – Für die Eröffnung der Opernspielzeit hätte man sich kein düstereres Anfangsbild vorstellen können: Musikinstrumente, wie Leichen auf einem Schlachtfeld über der Bühne verstreut, nach und nach von einer Axt zerhackt, während im Hintergrund die Flammen des Hochofens züngeln. Diese »musikalische Hölle«, die Marc Schnittger ausgehend von dem gleichnamigen Flügel des Triptychons »Der Garten der Lüste« von Hieronymus Bosch entwirft, erscheint zunächst wie ein Kontrast zur Vorlage: Während bei Bosch die Musikinstrumente zu Folter- und Tötungsmaschinen werden, quält hier der Mensch die Musik. Doch ganz im Sinne eines Film noir täuscht der erste Eindruck.
In einer regnerischen Nacht sucht der kurz vor dem Durchbruch stehende Violinist Georg Schnittelbach eine Werkstatt auf, um seine Geige reparieren zu lassen. Der Sekretär Rott Epstein (gespielt von Schnittger selbst) teilt ihm jedoch mit, die Werkstatt habe bereits geschlossen. Nach mehrmaligem Drängen gewährt er Schnittelbach schließlich einen Warteplatz auf dem Dachboden des Hauses. Dort findet er sich wieder als einer von vielen: Auf dem Dachboden hat sich bereits ein höllisches Sammelsurium von Musikern und Komponisten eingefunden, die jahr- und jahrzehntelang auf ihre Instrumente warten, sich im Labyrinth des Hauses, ihren eigenen Illusionen und Wahnvorstellungen und im gegenseitigen Streit ums Überleben verirren und verteufeln.
In Gesprächen über Eitelkeit und Kunst enthüllen die Figuren im Laufe des rund 80-minütigen Abends ihre panische Angst vor dem Scheitern und davor, den eigenen und fremden Erwartungen nicht mehr zu genügen. Und so erscheint die Verbrennung der Instrumente, die als Höllenbildnis den Abend einleitet, letztendlich als ein Akt der Befreiung.
Neben diesem klugen Plot lädt Schnittger durch seine zahlreichen Zitate und Anspielungen zum genauen Hinsehen und –hören ein: Gab es diesen Voss, von dem überall Noten in der Werkstatt herumliegen, nicht wirklich einmal, bevor er in Vergessenheit geriet? War das nicht gerade eine satanische Geste, mit der sich Epstein, der omnipräsente Puppenspieler, den Fussel vom Hemd gewischt hat? Wieso heißen zwei der Komponisten ausgerechnet Döblin und Pollock? Schmoren Kunst, Literatur und Musik hier in derselben Hölle?
Dazu sind die fantasievoll und ausdrucksstark gestalteten Puppen (Schnittger), das handwerklich hervorragende und facettenreiche Spiel, die stimmungsvolle, eigens für den Abend komponierte Film- und Kammermusik (Jan Peter-Flug, gespielt vom Trio Sonar) so perfekt aufeinander abgestimmt, dass man dem Untertitel des Abends – »eine Odyssee durch Zeit, Raum und Klang« – nur zustimmen möchte. (...)
Michael Isenberg, double-Theatermagazin (3. September 2012)
… wissen die Menschen seit Jahrhunderten und dass im Himmel musiziert wird, gilt als ausgemacht. Aber was ist mit der Hölle? Es gibt ein paar eindrückliche Dies-irae-Darstellungen, die laut, aber immer noch erbaulich sind. Das Marc Schnittger Figurentheater gibt eine andere Antwort: Die musikalische Hölle ist ein Ort wie von Kafka. Vorgeblich handelt es sich um einen Instrumentenreparaturbetrieb, aber es ist ein Ort der Verzweiflung.
Vier Musiker-Komponisten, ein Jazzer, ein Neue-Musik-Setzer, ein Schnulzenkönig und ein Klassik-Erbe verlieren dort langsam Gefühl und Verstand. Der stets abwesende Instrumentenbauer Fürst scheint der Fürst der Hölle zu sein. An ihn haben sie ihre Instrumente verloren, in seinem ausweglos labyrinthischen Haus sind sie auf sich selbst und ihre Musik zurückgeworfen und gehen daran zugrunde.
Die musikalische Hölle ist wirklich ein schrecklicher Ort, aber das düstere Theaterstück, das sich damit beschäftigt, ist großartig. Vor allem, weil Marc Schnittger mit seinen großen Figuren auf der großen Opernhaus-Bühne sprachlich und puppentheatertechnisch wie immer herausragend ist und diesmal in dem Komponisten Jan-Peter Pflug einen ebenbürtigen Partner gefunden hat. Aus dem Orchestergraben steuert der Komponist selbst atmosphärische live-elektronische Klänge bei, kombiniert mit Streichtrio-Stücken von ihm und nach Händel, ebenfalls live gespielt vom Trio Sonar. Wer allerdings hofft, dass die Hölle, musikalisch interpretiert, nicht ganz so schlimm oder doch wenigstens interessant sei, Hoffnung oder wenigstens Spaß mache, wird desillusioniert. Nein, sie ist ein trauriger Ort, an dem man nicht enden möchte.
Marc Schnittger setzt mit diesem Stück seine Trilogie nach dem rätselhaften Triptychon des Malers Hieronymus Bosch (1450-1516) fort, bestehend aus dem für Schnittger noch ausstehenden Garten Eden, dem Garten der Lüste und der musikalischen Hölle. Die Stücke sind von Bosch inspiriert, aber keine Figurentheater-Abbildungen der Gemälde. Man muss den Bezug erst finden. Gut so, findet CGB.
Christoph Gockel-Böhner, Kulturamt Paderborn (8. Oktober 2012)